Aktuelle Erkenntnisse & Publikationen

Lehrerbildung und Berufsbildungsforschung

Hier finden Sie eine Übersicht mit den neuesten Veröffentlichungen.

 

Kollegiales Coaching für virtuelle Lehre

Eine empirische Fallstudie zu Begleitungsformaten in virtuellen Lehr- und Lernräumen bietet interessante Erkenntnisse:
Die Basis für die folgenden Befunde bietet eine Studie mit quantitativen (1721 TN) und qualitativen (11 TN) Anteilen. Befragt wurden online Lehrende an beruflichen Schulen (staatlich und in freier Trägerschaft). Die Umfragen und Tiefeninterviews fanden vom 21.09.2020 bis zum 28.03.2021 statt.

Alle Ergebnisse finden sich in:

Hanstein, Th. & Lanig, A. (2021): #Online-Lehre meets #Online-Coaching. Waxmann:
Münster/New York

Wichtige Erkenntnisse für Schul- und Unterrichtsentwicklung und Führungskultur
(Auswahl)

1. Die Phase des Experimentierens mit ersten Erfahrungen in online-Formaten war durch eine hohe Kollegialität und neuartige kollegiale Kontakte geprägt. Über 61 % der Interviewten wurden durch Kolleginnen und Kollegen unterstützt. Diese kamen oft nicht aus der eigenen Fachschaft oder Schule. Bedeutung dieses Befundes: Die Stärkung dieser fach- und schulübergreifenden – neuen – Vernetzungen vonseiten der schulischen Funktionsstelleninhaberinnen und -inhaber ist ein entscheidender Indikator für gelingende nachhaltige Digitalisierung an Bildungseinrichtungen. An diesen positiven, fachübergreifenden Erfahrungen anzuknüpfen, könnte bisherige Fortbildungsformate reformieren.

2. Die Bedeutung von Vorgesetzten für den Unterstützungsbedarf in Richtung „digitale Schule“ wird als relativ gering bewertet: Die Nennungen belaufen sich auf unter 10%. Neben der, oft relativ gering eingeschätzten Kompetenz in Fragen von Online- und Mediendidaktik bei Schulleitungsmitgliedern werden diese auch als Hemmnisse, als Störfaktoren und gar Verhinderer digitalisierter Experimente verstanden. Bedeutung dieses Befundes: Was zunächst oft als Enttäuschung interpretiert wurde, wurde dann zum Beginn einer (teils neuartigen) pädagogischen Freiheit und Selbsttätigkeit. Von Schulleitungen wird erwartet, dass sie die Infrastruktur und den organisationalen Rahmen sichern. Das bedeutet für deren Tätigkeitsbereich, dass sie gut beraten sind, sich von einem Mikromanagement - bzw. einer Versuchung dazu innerlich - frei zu machen. Schulleitungen sind (bzw. können/sollten) stattdessen vor allem eines sein: Förderer. Wo sie indes bremsen, behindern sie mittelfristig bis langfristig die Schul-und Unterrichtsentwicklung (im eigenen Haus und Kollegium).

3. Der Online-Unterricht, insbesondere in der Phase des pandemiebedingten „Homeschooling“, hat so stark wie nie zuvor in das private Leben eingegriffen. Das bedeutet aus der Perspektive des gesuchten (und gefundenen) Supports, dass bis zu 20% der (meist technischen, aber auch methodisch-didaktischen) praktischen Hilfestellungen aus dem Familien- und Freundeskreis erfolgt sind. Bedeutung dieses Befundes: Die Hinführung zum online Unterricht sowie die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Online- und Mediendidaktik sollte, stärker als im Präsenzunterricht nötig, die Aspekte berücksichtigen, die als typische Begleitphänomene des online-Unterrichts erkannt worden sind (Strukturierung, Rhythmisierung, Verfügbarkeit, Entgrenzung, Resilienz, Prävention u.v.m.) und Lehrende - wie Lernende - innerlich stark herausfordern. Eine Schulung von Fortbildnern in systemischen Fragestellungen erscheint unerlässlich.

4. Fortbildungen nach klassischem Angebots-Zuschnitt haben an Attraktivität verloren. Aus dem klassischen Input-Prinzip mit thematischer Ausschreibung ist das Bedürfnis an situations-, anliegen- und bedarfsbezogenen Formaten erwachsen. Bedeutung dieses Befundes: Jede Schul- und Unterrichtsentwicklung steht im jeweiligen Kontext der entsprechenden Bildungseinrichtung. Fertige Input-Angebote folgen dem Prinzip der Vermittlung. Lehrkräfte haben in der Phase des digitalen Experimentierens und der digitalen Anreicherung eine neue Wirkmächtigkeit erfahren, die sich sowohl auf Person, Rolle und Funktion als auch auf das jeweilige System (als lernendes) bezieht. Diese zu unterstützen, funktioniert bestens in Coaching-Formaten, wie z.B. dem von den Autoren entwickelten kollegialen Coaching (Beschreibung siehe Link unten), die zunächst die Anliegen bergen und sich im weiteren Verlauf konsequent davon leiten lassen.

5. Externe Supporter werden nicht mehr vorrangig (nur) an ihrer fachlichen Kompetenz gemessen, sondern an ihrer methodischen Kompetenz und didaktischen Agilität, ihre Fortbildungs- und Coachingformate relativ passgenau zu gestalten. Bedeutung dieses Befundes: Die Aus- und Weiterbildung von Fortbilderinnen und Fortbildern muss sich dieser Veränderung - die nicht weniger ist als eine Transformation - durchgängig und langfristig stellen.

6. Das Führungsverhalten schulischer Vorgesetzter wurde in der Corona-Pandemie als weniger partizipativ bewertet. Vielfach hätten Schulleitungen ihre Kolleginnen und Kollegen mit den ganz speziellen, neuen Herausforderungen im Unterricht und v.a. im „Homeschooling“ zuweilen allein gelassen. Ebenso seien formale Vorgaben „von oben“ oft nicht wirksam und nicht zielführend für die digitale Unterrichtentwicklung gewesen. Bedeutung dieses Befundes: Die Weiterentwicklungen der Kolleginnen und Kollegen fußen im Wesentlichen auf gemeinsam gemachten und reflektierten neuen Erfahrungen. Die Wirksamkeit von „Communities of Practices“-Erfahrungen hat eine große intrinsische Qualität. Diese durch resonantes und fragendes Führungsverhalten zu fördern, ist eine wesentliche Aufgabe moderner Schulleitung. Da diese ebenso mit der Wirkmächtigkeit veränderter (Führungs-)Muster konfrontiert worden sind, ist es wichtig, diese ebenso zu reflektieren. Dazu bieten sich Formate des Einzel-Coachings an, was einzelne Bundesländer bereits als Führungsinstrument implementiert haben.

Weiterführende Literatur der Autoren Hanstein und Lanig:
https://www.coaching-magazin.de/konzepte/kollegiales-coaching-fuerbildungseinrichtungen

 

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