Abstract: Schon länger wird über alternative Prüfungsformen speziell auch im digitalen Bereich diskutiert. Die gegenwärtige eher kurzfristig aufgetretene Situation des Ruhens der persönlichen Kontakte erfordert zumindest ein temporäres Umdenken sowohl in der Lehre als auch in Prüfungssituation. Dieses sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht. Es erfolgt ein kurzer Abriss über Möglichkeiten, Probleme und denkbare Lösungen.
Vorweg soll für alle auch die herkömmlichen Prüfungsformen klargestellt werden: sie messen sich nicht an der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 GG, sondern insbesondere an der Berufsfreiheit des Art. 12 GG (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 3). Durch die Prüfungen werden mittel- oder unmittelbar Zertifikate vergeben, die für die berufliche Situation der zu prüfenden Personen wesentlich sein können. Es geht nicht um die Lehre, sondern eine Zertifizierung, die Auswirkungen auf das Leben der zu prüfenden Personen (zu diesem Begriff siehe: Hebrank, NJOZ 2019, S. 849) haben kann.
1. Grundlagen
Zunächst müssen alle Prüfungen (auch die alternativen Formen) den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Daher muss prinzipiell die alternative Prüfungsform mit der zugrundeliegenden Prüfungsordnung und den für diese geltenden Gesetzen in Einklang stehen. Daher ist es wahrscheinlich an vielen Stellen erforderlich Prüfungsordnungen zu ändern, um alternative Prüfungsformen durchführen zu können.
Zudem muss bei jeder Prüfungsform gewährleistet sein, dass die Chancengleichheit aller zu prüfenden Personen besteht und dass Täuschungshandlungen möglichst ausgeschlossen sind. Ein vollständiges Ausschließen ist wahrscheinlich nicht möglich.
Ein weiteres Problem ist, dass die zu prüfenden Personen die technischen Voraussetzungen für eine digitale Prüfung haben müssen. Dort stellt sich auch das Problem von stabilen Zugangswegen und der vorhandenen Hard- sowie Software. Allerdings sollten im Hinblick auf eine schnelle Umsetzung und der Möglichkeit für die zu prüfenden Personen, schnell die Prüfung ablegen zu können bürokratische Hindernisse vermieden werden und auch in der Rechtsprechung die Idee der schnellen Hilfe Berücksichtigung finden. Wenn aufgrund von technischen Problemen eine Prüfung nicht abgelegt werden kann, sollte der Prüfungsanspruch (in dieser außergewöhnlichen noch nie dagewesenen Situation) nicht verfallen. In dieser Situation sollten alle so handeln, dass eine möglichst große Rechtssicherheit bei gleichzeitiger Flexibilität erzielt wird, ohne dass große Reibungsverluste entstehen. Sollten diese alternativen Prüfungsformen weiter genutzt werden, wird dieser Aspekt der Reibungsverluste irrelevant werden müssen.
Ebenso sollten mögliche Bedenken in Bezug auf Datenschutz oder geschützte (virtuelle) Räume im Internet zunächst weitgehend außer Betracht bleiben, aber technisch gelöst werden.
Audio- oder Videoaufzeichnungen während der Prüfungen sollten ausdrücklich ausgeschlossen sein, diese finden bei den meisten derzeit durchgeführten (Präsenz-)Prüfungen auch nicht statt. So wird über das Strafrecht (ohne dass dieses unbedingt bei Prüfungen vorliegt) eine Einwilligung benötigt, wenn Audio- oder Videoaufzeichnungen (§ 201a StGB) erfolgen sollen, liegt die Einwilligung nicht vor wird über das Strafrecht ein hoher Schutz erreicht. Eventuell liegt - zumindest bei biometrischen Aufnahmen - auch eine datenschutzrechtliche Problematik vor (Art. 4 Nr. 14 DSGVO), die durch eine Einwilligung, Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO beseitigt werden kann.
Aufgrund der eventuellen Unsicherheit der Daten über genutzte Plattformen, sollte eine Notenbekanntgabe nur nach dem Einverständnis der zu prüfenden Person unmittelbar online erfolgen.
Es muss auch in virtuellen Prüfungen die Identität der zu prüfenden Person festgestellt werden. Nicht entbunden wird man von der Frage nach dem Gesundheitszustand, den man virtuell schwerer erkennen kann als in einem persönlichen Treffen. Eine entsprechende Dokumentation ist in beiden Fällen erforderlich.
Ein weiteres Problem stellt sich mit dem Unterschreiben von Prüfungsprotokollen. Diese müssen angefertigt werden und im Zweifel im Umlaufverfahren von den beteiligten Personen unterschrieben werden.
2. Häusliche Arbeiten
Häusliche Arbeiten (z. B. Projektarbeiten, Hausarbeiten, Seminararbeiten, Abschlussarbeiten) können prinzipiell wie bisher abgewickelt werden, da keine Anwesenheit von mehreren Personen erforderlich ist. Eine mögliche alternative Form ist in diesem Fall möglicherwiese (wenn nicht schon vorhanden) die digitale Übermittlung der fertigen Arbeit. Die digitale Übermittlung sollte - auch im Sinne des Umweltschutzes - generell verstärkt werden. Über digitale Abgaben können die Abgabefristen gut eingehalten und überwacht werden. Es ist kein aufwendiges Kopieren und Binden (und damit auch nicht der unterschiedlichen Methoden eine Bindung vorzunehmen) mehr erforderlich. Technische Probleme beim Empfänger gehen dann auch zu dessen Lasten. Die eigenständige Bearbeitung wird durch die eidesstattliche Versicherung sichergestellt, in der die zu prüfende Person an Eides statt versichert die Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt und nicht abgeschrieben zu haben (diese Versicherung kann je nach Prüfungsordnung inhaltlich variieren).
Eine Problem kann die Bearbeitungszeit sein. Für eine wissenschaftliche Arbeit müssen viele Kriterien eingehalten werden und es muss ein bestimmter Umfang eingehalten werden. Dieser Zeitaufwand ist bei der Planung der Prüfungspläne zu berücksichtigen.
Ein besonderes Gewicht wird hierbei auch auf die Formalien zu legen sein (siehe: VG Ansbach, NVwZ 2018, S. 1156 ff. m. Anm. Hebrank). Dieses ist speziell erforderlich um die Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Bearbeitenden herzustellen.
In diesem Bereich lassen sich sicherlich viele neue Prüfungsformen finden, die sich leicht umsetzen lassen.
3. Mündliche Prüfungen
Am einfachsten erscheint die Umsetzung bei mündlichen Prüfungen möglich zu sein. Soweit die Prüfungsordnung keine persönliche Anwesenheit verlangt könnten die Prüfungskommission und die zu prüfende Person sich in einem virtuellen Raum zu einer Prüfung treffen.
Es sollte dabei immer zwingend erforderlich sein, dass die zu prüfende Person ständig das Mikrofon und die Kamera eingeschaltet hat, um mögliche Täuschungsversuche zu erkennen. Zudem sollten die Zeiten für die Antworten kurz gehalten werden, damit nicht im Internet nachgeschaut werden kann oder eine dritte Person im Hintergrund (auf der Kamera abgewandten Seite) helfen kann. Zudem sollte man darauf achten, dass möglichst in die Kamera geschaut wird.
Dieses sind neue Probleme, die sich ergeben, dafür fallen andere Probleme, wie Verspätungen im öffentlichen Personenverkehr, ein Defekt am eigenen Fortbewegungsmittel und ein Stau auf dem Weg zur Prüfung weg.
Die Fragen könnten noch in einem Chat oder virtuellen Whiteboard visualisiert werden, damit Übertragungsschwierigkeiten beim Audio abgemildert werden.
4. Klausuren
Der fast schwierigste Bereich ist der der Klausuren. Diese werden in der Regel unter Aufsicht und mit beschränkten Hilfsmitteln geschrieben sowie nach Feststellung der Personalien der zu prüfenden Personen. Dieses ist digital in dieser Form nicht zu verwirklichen. Aber vielleicht ergibt sich durch eine Digitalisierung eine mögliche kompetenz- und handlungsorientierte Prüfungsart.
Möglich wäre es eine Aufgabenstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Download bereit zu stellen und dann eine (wie bei einer Klausur) Bearbeitungszeit zu geben, an deren Ende die Lösung wieder hochgeladen sein muss. Anschließend wird die Möglichkeit des Hochladens technisch blockiert. So wird gewährleistet, dass alle zu prüfenden Personen die identische Zeit zur Bearbeitung haben (wie in einer Präsenzklausur). Auch hier empfiehlt sich eine eidesstattliche Versicherung, damit Täuschungsversuche weitgehend vermieden werden.
Inhaltlich sollte eine solche „Klausur“ (Der Begriff „Klausur“ wird in „“ geschrieben, da die Prüfungsform eine andere Bezeichnung verdient hat, da es sich auch um eine andere Art der Prüfung handelt und auch eine begriffliche Abgrenzung hilfreich ist, auch in Bezug auf die Formulierung in einer Prüfungsordnung). Aufgaben, die eine Transferleistung erfordern enthalten, damit ein Absprechen der einzelnen zu prüfenden Personen vermieden wird, ebenso wie ein Abschreiben aus Skripten oder Büchern oder dem Internet. Hier liegt auch die Chance zu mehr Handlungsorientierung bei diesen „Klausuren“ zu kommen. Zudem sollten die Aufgaben so gestaltet sein, dass sie in der zur Verfügung stehenden Zeit für die meisten zu prüfenden Personen nicht zu schaffen sind, so dass ein weiteres Korrektiv zu möglichen Täuschungsversuchen vorhanden ist. Die dann entsprechen fehlenden Bearbeitungen können dann bei der Bewertung (zu Gunsten der zu prüfenden Personen) berücksichtigt werden. Ein Nachteil für die prüfenden Personen ist, dass die Aufgaben in Umlauf geraten und dadurch in der nächsten Zeit nicht mehr genutzt werden können.
Eine permanente Videoüberwachung könnte gegen das Persönlichkeitsrecht der zu prüfenden Person verstoßen und auch eine unangenehme Atmosphäre schaffen. In einer Präsenzklausur sieht man auch die Prüfungsaufsichten und wo diese hinschauen. Dieses erfolgt nicht bei einer Videoüberwachung.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich, dass nicht mehr anhand der Handschrift eine Identifizierung der zu prüfenden Person mit anderen geschriebenen Klausuren möglich ist, wodurch mögliche Täuschungsversuche aufgedeckt werden könnten.
5. Praktische Prüfungen
Praktische Prüfungen (z. B. der Ausbildereignungsprüfung) sind fast nicht digital umzusetzen. Eine Möglichkeit wäre es diese per Video an die prüfenden Personen zu übertragen. Dabei müsst aber sichergestellt sein, dass es sich nicht um eine Aufzeichnung handelt, die eventuell mehrfach aufgezeichnet wurde bis ein gutes Ergebnis erzielt worden ist. In wieder anderen Bereich (z. B. medizinische Berufe), braucht man Probanden und muss im Zweifel schnell eingreifen können, um einen Schaden zu vermeiden. Dieses auch im Hinblick auf eine Fürsorge und Schutzpflicht der prüfenden Personen (auch gegenüber den Probanden). In diesem Bereich sind derzeit nur wenige bis keine Möglichkeiten von alternativen Prüfungsformen möglich.
6. Fazit
Angestoßen durch eine noch nie dagewesene Situation werden sehr kreativ neue Prüfungsformen entwickelt, die sich auch - zumindest in modifizierter Form - auch in einem normalen Prüfungsbetrieb finden könnten.
Für die Fälle des Ausfallens der Internetverbindung oder des Stroms können Nachweise erbracht werden und entsprechend gilt der Prüfungsversuch als nicht erfolgt und kann erneut durchgeführt werden.
Vor einer neuen Prüfungsform sollten die zu prüfenden Personen, die von einer anderen Prüfungsform ausgegangen sind, in das neue Vorgehen einwilligen. Zudem sollte die Vorbereitung in den Veranstaltungen immer auch die Prüfungsform berücksichtigen und entsprechend didaktisch aufbereitet sein.
In diesem kurzen Abriss konnten nur einige Grundlagen und Probleme von alternativen Prüfungsformen angesprochen werden. Sicherlich werden sich noch viele weitere Probleme ergeben, dennoch sollte der rechtliche Rahmen immer beachtet werden, um rechtssichere Prüfungen durchführen zu können.
Verwendete Quellen:
Neben dem StGB (Strafgesetzbuch) und der DS-GVO (europäischen Datenschutzgrundverordnung):
Hebrank, Klaus Der BBiG-Entwurf in Bezug auf die Weiterbildung. In: NJOZ 2019, S. 849 (Aufsatz in der Neuen Juristischen Online Zeitschrift, C. H. Beck Verlag, München)
Niehues, Norbert/Fischer, Edgar/Jeremias, Christoph Prüfungsrecht, 7. Auflage, C. H. Beck Verlag, München 2018
VG Ansbach, NVwZ 2018, S. 1156 ff. m. Anm. Hebrank (Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht, C. H. Beck Verlag, München, mit Anmerkung Klaus Hebrank)