Prüfungsfreiheit/Freiheiten in der Prüfungssituation?
Prüfungsrecht für Prüfende
Eine grundlegende Einführung in das Prüfungsrecht
Vorbemerkung:
In dieser Abhandlung werden Personen, die Prüfungen[1] erstellen, abnehmen und bewerten als Prüfende bezeichnen und diejenigen, die sich einer Prüfung unterziehen als zu prüfende Personen[2]. Es sind jeweils Personen jeden denkbaren Geschlechts gemeint, soweit nicht ausdrücklich auf ein Geschlecht hingewiesen wird, sprachlich wird die grammatikalische Grundform genutzt.
Diese grundlegende Einführung schafft keine Rechtssicherheit, für die Prüfenden, ist aber ein erster Ansatz für die Durchführung von Prüfungen, die möglichst wenig angreifbar sind. Auf jeden Fall sollten sich die Prüfenden weiterbilden, ggf. Seminare besuchen und als Grundlage sich mit den für sie geltenden Vorschriften auseinandersetzen. Für Nichtjuristen ist dieses nicht immer einfach, aber durchaus machbar. Prüfende sollten immer die Vorschriften griffbereit haben, um im Zweifelsfall nachschlagen zu können.
Diese kurze Einführung kann keine vollständige Darstellung des Prüfungsrechtsverhältnisses geben. Sie soll zum einen den groben Rahmen von Prüfungen aufzeigen und zum anderen anregen sich weiter mit der Thematik zu beschäftigen. Zu dieser Thematik werden weitere vertiefende Artikel erscheinen.
I. Geltenden Vorschriften und Rangfolge
Zunächst werden die grundlegenden Vorschriften, die bei der Zulassung[3], Erstellung, Durchführung und Bewertung von Prüfungsleistungen relevant sein können dargestellt. Dabei werden nicht immer die konkreten Vorschriften, die für jede einzelne Prüfung gelten erwähnt (dieses sind unglaublich viele). Es werden im Wesentlichen die Begriffe genannt, unter denen die für Prüfungen geltenden entsprechenden Vorschriften zu finden sind.
Das Grundgesetz (GG) ist als Grundlage des staatlichen Handelns in Deutschland zu nennen, das im Verhältnis Staat zu Bürger gilt und daher bei allen Prüfungen Geltung entfacht, bei denen der Staat im weitesten Sinne als prüfende Institution tätig wird (z. B. öffentliche Schulen und Hochschulen sowie Prüfungen der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern). Die Ideen des GG gelten aber auch für Prüfungen, die von privaten Institutionen abgenommen werden. Dieses erfolgt über § 242 BGB. Daher wird im Folgenden weitgehend nur das GG erwähnt, die dahinterstehenden Grundsätze sind auch für private Träger anzuwenden[4] und werden nicht ausdrücklich erwähnt. Besonders sollte der Gleichbehandlungsgrundsatz bei allen (öffentlichen und privaten) Trägern gelten, da sonst eine Gleichbehandlung nur von der Organisationsform des Trägers abhängen würde.
Unterhalb des GG sind die einfachen Gesetze zu nennen. Dieses sind die Schulgesetze der Bundesländer aber auch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) für den Bereich der Ausbildung und Weiterbildung. Für den Bereich der Hochschulen sind das Hochschulrechtsrahmengesetz sowie die Hochschulgesetze der Bundesländer relevant.
Auf der Ebene der Institutionen selber sind dann die Schulordnungen und die Studien- sowie Prüfungsordnungen zu beachten.
Für die Ausgestaltung der einzelnen Bildungsangebote sind Curricula, Modulhandbücher und Rahmenstoffpläne vorhanden. Diese geben nicht nur Auskunft über prüfungsrelevante Fragen (z. T. werden in diesen Vorschriften die Arten der Prüfungen konkretisiert), aber sie setzen den inhaltlichen Rahmen für die Prüfung fest. An diesen Rahmen müssen sich die Prüfenden halten.
Es ist zu erkennen, dass in der angeführten Reihenfolge der Rechtsvorschriften eine Abnahme der Gültigkeitsgrenzen (in Bezug auf die Anzahl der davon betroffenen Menschen) vorliegt, aber gleichzeitig auch eine erhöhte Intensität in Bezug auf die Regelungsdicht. Dennoch besteht noch ein großer Bewertungs- und Beurteilungsspielraum für die Prüfenden.
Die Rechtsvorschriften sind in aller Regel über das Internet[5] verfügbar. Die „internen“ Dokumente stellen die entsprechenden Institute oder Bildungsträger zur Verfügung. Für zu prüfende Personen oder Prüfende sollte ein Zugang zu diesen Vorschriften möglich sein, wenn dieser nicht schon öffentlich möglich ist.
II. Prüfungsfreiheit?
Im Grundgesetz gibt es keine ausdrückliche Prüfungsfreiheit für die Prüfer. Für den Bereich der Ausbildung, zumindest an der Hochschule gilt die Lehrfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG. Dieses bezieht sich aber i. d. R. nicht auf Prüfungen. Eine Ausnahme gilt, wenn Rückwirkungen der Prüfung auf die Lehre vorliegen[6]. Es stellt sich schon die Frage, ob solche Rückwirkungen nicht immer gegeben sind. Auf die Prüfungen muss so vorbereitet werden, wie dieses zur Feststellung des Kompetenzstandes der zu prüfenden Personen erforderlich ist. So stellt sich die Frage nach der Art und der Ausgestaltung der Prüfung. Nicht mit jeder Prüfung kann jede Kompetenz festgestellt werden.
Beispiel
Eine Kompetenz, die einen praktischen Hintergrund hat, kann nicht durch eine Klausur festgestellt werden.
Die Freiheit der Prüfenden bei Prüfungen unterliegt den Beschränkungen des Grundgesetzes oder diese entfalten über das BGB Drittwirkungen.
Die zu prüfende Personen haben das Recht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG. Hieran müssen sich Studien- und Prüfungsordnungen messen lassen sowie die Durchführung von Prüfungen. Dieses gilt speziell in der Ausformung der Berufszugangsregelung. Durch Prüfungen werden Zertifikate erteilt, die den Zugang zu bestimmten Berufen geben. Die Prüfungen müssen geeignet sein die Zertifizierung zu erlangen[7].
Zudem unterliegen die Prüfenden dem Grundsatz der Gleichheit im Sinne der Gleichberechtigung nach Art. 3 Abs. 1 GG. Sie dürfen im Rahmen der Prüfung einzelne zu prüfende Personen nicht anders behandeln als andere Personen. Dieses bedeutet u. a., dass sich das Bewertungsschema nicht ändern darf. Innerhalb eines Prüfungsdurchgangs sollte dieses in jedem Fall erfolgen, übergreifend (in verschiedenen Prüfungsdurchläufen) könnte es schwierig werden, sollte aber weitgehend beachtet werden. Vermieden werden muss, dass das Prüfungsniveau den zu prüfenden Personen angeglichen wird, denn die Zertifizierung bleibt identisch. Eine Änderung des Niveaus ist nur bei der Änderung der der Prüfung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften möglich.
Darüber hinaus unterliegen die Prüfenden den Reglungen der prüfenden Institution (dazu mehr unter III. Beachtenswertes). Sie haben sich an die entsprechenden Prüfungsordnungen (in formaler und materieller Hinsicht) zu halten.
Es besteht eine nicht grundgesetzlich geschützte Freiheit der Prüfer, die allerdings durch das Grundgesetz und andere Rechtsvorschriften eingeschränkt ist.
III. Beachtenswertes
An dieser Stelle werden exemplarisch einige rechtliche Besonderheiten für Prüfungen dargestellt. Das Feld des Prüfungsrechts ist wesentlich weiter als dieses in einer kurzen Abhandlung dargestellt werden kann.
1. Formales
Die Formalien einer Prüfung sind unbedingt einzuhalten. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt meistens nur in Bezug auf formale Verstöße[8] die Entscheidung lautet meistens auf die Möglichkeit die Prüfung neu zu bewerten oder die Möglichkeit der Wiederholung der Prüfung[9]. Dieses bedeutet nicht, dass bei der Bewertung von Prüfungsleistungen inhaltlich Willkür herrschen darf. Die Formalien sind u. a. auch die Frage nach den inhaltlichen Vorgaben zur Prüfung. Diese finden sich in den oben genannten Rechtsvorschriften. Zu beachten ist auch die Gültigkeitsdauer der Vorschriften. Diese wird manchmal verändert. Fraglich ist dann immer welche Rechtsgrundlage für die entsprechende Prüfung gültig ist (hierzu finden sich in der Regel in der neusten Rechtsvorschrift Hinweise).
Die grundlegenden Formalien sind Datum, Zeit und Ort der Prüfung sowie mögliche Hilfsmittel, die genutzt werden dürfen.
Eine wichtige Formalie ist die Frage nach der gesundheitlichen Verfassung zur Ablegung der Prüfung. Diese muss vor Beginn der Prüfung gestellt und dokumentiert werden. Die Frage nach Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss ist eine sicherlich sinnvolle Frage, allerdings wird die Beantwortung dieser Frage, wenn sich die zu prüfende Person in einem solchen Zustand befindet, nicht vom Willen gesteuert erfolgen und ist dann vermutlich unwirksam. Bei dem Verdacht der fehlenden Prüfungsfähigkeit der zu prüfenden Person sollte die Prüfung nicht begonnen oder fortgesetzt werden. Der entsprechende Sachverhalt ist zu protokolieren.
Die Anfertigung des Prüfungsprotokolls ist eine wichtige Formalie. Welche Angaben das Protokoll enthalten muss ergibt sich aus der Rechtsvorschrift für die Prüfung oder aus den Umständen selber. Prüfungsbeginn und Prüfungsende sind Selbstverständlichkeiten, ebenso die Prüfer oder Aufsichtspersonen. Alle Unregelmäßigkeiten werden im Protokoll vermerkt.
Bei Aufsichtsarbeiten (z. B. Klausuren) sind folgende Punkte wichtig: die Sitzordnung und Toilettengänge. Im Nachhinein kann man Rückschlüsse aus den Protokollen auf mögliche Täuschungsversuche ziehen.
2. Prüferfähigkeit
Zunächst dürfen sich die Prüfenden nicht in einem Zustand befinden, der ihre Prüfertätigkeit ausschließt (z. B. Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss).
Nicht nur die zu prüfende Personen müssen Voraussetzungen erfüllen, um eine Prüfung ablegen zu dürfen, auch die Prüfenden müssen die Fähigkeit haben prüfen zu dürfen. Dieses wird derzeit meistens über die berufliche Qualifikation der Prüfenden erzielt. Der Prüfer muss die fachliche Qualifikation haben, über Leistungen, die den Prüfungsgegenstand betreffen entscheiden zu können[10]. Diese muss gleichwertig[11] oder höherwertiger sein, als die der zugrundeliegenden Prüfung. Es kommt hierbei auf die entsprechende fachliche Zertifizierung an. Diese kann durch eine Ausbildung oder praktische Tätigkeit erzielt worden sein[12].
Viele Prüfende prüfen so, wie sie es von den eignen Prüfungen als zu prüfende Person erfahren haben. Dieses bedeutet aber nicht, dass dieses richtig ist. Es findet ein weitgehendes Imitationsprüfen statt, ohne dass die Prüfertätigkeit reflektiert wird.
Der Prüfer muss unabhängig und unbefangen sein[13]. Sollte der Prüfer befangen sein, sollte er selber rechtzeitig darauf hinweisen und die Prüfung nicht abnehmen. Der zu prüfenden Person obliegt eine Rügepflicht hinsichtlich einer von ihm aufgedeckten Befangenheit. Eine Pflicht zur Frage nach der Befangenheit durch die Prüfer besteht derzeit wohl nicht, kann aber vorgenommen werden. Bei der Prüfung sollte der Prüfer sachlich und fair sein[14] und den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.
Zu wünschen wäre es, wenn auch Prüfende selber durch Fortbildungen im Bereich der Prüfungen eine Zertifizierung erlangen, um prüfen zu dürfen. Hierdurch kann der Prüfungsablauf sicherer gestaltet werden. Dieses kann Auswirkungen auf die Vorbereitung und Durchführung der Prüfung haben. Im Rahmen einer Zertifizierung können juristische, psychologische und pädagogische Aspekte berücksichtigt werden.
3. Prüfungsordnungen
Prüfungsordnungen finden sich manchmal auch in anderen Dokumenten wie Schulordnungen etc. Gemeint sind Regelungen, die den Ablauf und den Inhalt von Prüfungen betreffen. Der Ablauf gehört zu den schon besprochenen Formalien. Die Inhalte sind nicht immer konkret genannt, sondern es sind teilweise Kompetenzen angegeben, die geprüft werden sollen.
Beispiel
Wenn die Prüfungsordnung beschreibt, dass die zu prüfende Personen eine komplexe Aufgabe in einer begrenzten Zeit zu einer Lösung bringen sollen, so kommt es vornehmlich darauf an, dass das Problem erkannt wird und eine Lösung entwickelt wird. Die Lösung selber oder das Nennen einzelner Definitionen ist dabei nicht vorrangig, aber auch nicht schädlich, wenn es zur Lösung beiträgt.
Die Regelungen zu Inhalt und Durchführung von Prüfungen sollten von allen Prüfenden vor der Prüfung oder Erstellung der Prüfung verinnerlicht werden.
4. Transparenz
Die Transparenz bezieht sich auf das Bewertungsverfahren. Hierbei ist zwischen mündlichen und praktischen Prüfungen einerseits und schriftlichen Prüfungen andererseits zu differenzieren. Erste sind flüchtig, d. h. kaum im Nachhinein nachvollziehbar und die Bewertung erfolgt unmittelbar. Die schriftlichen Prüfungen sind nachprüfbar - auch durch andere Personen - und die Bewertung erfolgt in einem längeren Zeitraum, es besteht auch die Möglichkeit einzelne Leistungen zu vergleichen. Zu achten ist auf einheitliche Bewertungen und das Nachvollziehen von Bewertungen (Validität).
a) Mündliche/praktische Prüfungen
Mündliche und praktische Prüfungen finden vor einem oder mehreren Prüfenden statt.
Es besteht die Möglichkeit, dass die Prüfenden die Prüfung aufzeichnen. Bei einer mündlichen Prüfung wäre dieses mit einer Video- oder Audioaufzeichnung möglich. Dadurch würden die Fragen und Antworten dokumentiert und wären dann auch im Nachhinein überprüfbar. Bei praktischen Prüfungen, bei denen es zu dem gesprochenen Wort auch auf Handlungen insbesondere der zu prüfende Personen ankommt, wäre eine Videoaufzeichnung mit Tonaufzeichnung eine ähnliche Möglichkeit der Dokumentation des Prüfungsverhaltens aller Beteiligten.
Diese Möglichkeiten der Aufzeichnung bergen einige juristische und tatsächliche Risiken. Zu den tatsächlichen Risiken zählt es, dass das gesamte Verhalten nachprüfbar ist, dieses kann sowohl für die Prüfenden, als auch für die zu prüfende Personen nachteilig sein, je nachdem wer sich nicht prüfungskonform verhält. Ein anders tatsächliches Risiko ist es, dass eventuell nicht alles dokumentiert wird, da das Mikrofon nicht alles aufzeichnet oder durch den beschränkten Aufzeichnungsbereich nicht das Verhalten hinter der Kamera erfasst wird.
Juristisch sind das Strafrecht sowie der Datenschutz zu beachten. Die Aufzeichnungen sind sinnhaft, wenn sie zulässig erstellt werden und eine bestimmte Zeit aufgehoben werden, nämlich bis zur Unangreifbarkeit der Prüfung. Es muss also sichergestellt werden, dass in der Aufbewahrungszeit keine unberechtigten Personen an die Aufzeichnungen gelangen. In der Regel müssen dazu alle beteiligten Personen, die durch Bild- oder Tonaufzeichnung aufgezeichnet werden eine Einwilligung abgeben.
Nach dem Kunsturhebergesetz (KUG) ist es verboten, Bildnisse des Abgebildeten ohne dessen Einwilligung öffentlich zur Schau zu stellen. Es geht hierbei nicht um die Anfertigung einer Aufnahme, sondern nur um deren Verwertung. In der Regel werden Prüfungsaufzeichnungen nicht öffentlich zur Schau gestellt werden, sie werden aber in einem mögliche Gerichtsprozess, der öffentlich ist, als Beweismittel verwertet werden können. Daher ist es erforderlich von den zu prüfende Personen und den Prüfenden eine entsprechende Einwilligung einzuholen. Diese muss auch nur die Verwertung zu Prüfungszwecken oder der gerichtlichen Nachprüfung enthalten. Alle anderen Verwertungsarten sollten ausgeschlossen sein.
Strafrechtlich werden Personen nach § 201a StGB geschützt vor unbefugten Aufnahmen in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich betrifft. Es trifft nicht ganz den Bereich von Prüfungen (außer den praktischen Prüfungen, an denen andere Personen als „Probanden“ teilnehmen, z. B. Prüfungen im medizinischen Bereich oder dem Ausbildereignungsschein), kann sich aber je nach Ausgestaltung der Prüfung dazu entwickeln. Dennoch sollte auch für diesen Fall eine Einwilligung eingeholt werden.
Soweit es um das gesprochene Wort geht (dieses wird bei der Videoaufzeichnung mit aufgezeichnet) stellt § 201 StGB es unter Strafe, wenn jemand das nicht öffentlich gesprochene Wort auf einen Tonträger aufzeichnet und/oder eine solche Aufnahme gebraucht oder weitergibt. Das entscheidende Wort ist hier wieder „unbefugt“. Die zu prüfende Personen sollten daher vor der Aufzeichnung in die Aufzeichnung einwilligen. Dieses kann schriftlich erfolgen oder nach einem Hinweis bei Beginn der Aufzeichnung, wobei immer gesagt werden sollte, dass die Aufnahme schon läuft.
Alleine schon aus Gründen der Transparenz und der Strafbarkeit sollten die zu prüfende Personen und alle anderen Teilnehmer an der Prüfung gefragt werden, ob Bedenken gegen die Aufzeichnung bestehen und eine entsprechende schriftliche Einwilligung eingeholt werden. Allerdings kann eine solche Einwilligung jederzeit wiederrufen werden.
Sollte die Prüfung öffentlich sein, so sind die Gäste darauf hinzuweisen, dass keinerlei Aufnahmen im Audio- oder Videobereich zulässig sind.
Bei der Notenbekanntgabe sollte - soweit es die Prüfungsordnung zulässt - eine Begründung der Bewertung gegeben werden, natürlich nicht als Diskussionsgrundlage, aber zur Nachvollziehbarkeit der Entscheidung. Ein solche Vorgehen könnte man auch als Prüfungspädagogik bezeichnen. Durch die Prüfung wird ein Lernerfolg bei den zu prüfenden Personen erzeugt. Dabei sollte der Lernerfolg bei Prüfungen nicht im Vordergrund stehen, sondern ein Beiwerk sein.
b) Schriftliche Prüfungen
Unter schriftliche Prüfungen fallen insbesondere Klausuren, aber auch Hausarbeiten, Projektarbeiten, Seminararbeiten, Abschlussarbeiten und Dissertationen sowie Habilitationen. Diese liegen alle in einer körperlichen Form (heutzutage auch in elektronischer Form) vor und können von mehreren Prüfenden bewertet werden.
Bei der Korrektur sollten Anmerkungen geschrieben werden. Dieses erleichtert den Prüfenden die Arbeit, die dann selber nachvollziehen können, was sie zu bemängeln hatten. Dieses wird relevant, wenn der zu prüfenden Person die Arbeit nach der Korrektur durchschaut (um beispielsweise für eine weitere Klausur etwas zu lernen) oder im Rahmen einer Überprüfung aufgrund eines Widerspruchs oder Einspruch der zu prüfenden Person. Diese hat meistens das Recht die Arbeit einzusehen und kann dann anhand der Anmerkungen ihre Fehler nachvollziehen. Je klarer der Anmerkungen sind, desto weniger wird die zu prüfende Person ein Rechtsmittel einlegen, soweit sie erkannt hat, dass ein Fehler auf ihrer Seite vorliegt. Die Prüfenden haben also abzuwägen in wie weit sie die Zeit für ausführliche Anmerkungen nutzen oder eher weniger Anmerkungen anfertigen (denn diese können auch zum Gegenteil führen). In keinem Fall dürfen diffamierende, beleidigende oder polemische Anmerkungen gemacht werden, da diese unsachlich sind.
Bei häuslichen schriftlichen Arbeiten wird häufig ein Gutachten von den Prüfenden verlangt. Hierbei ist es zunächst wieder erforderlich, dass in der Arbeit selber Anmerkungen gemacht werden. Im Gutachten muss man dann in der Formulierung des Gutachtenstextes die Note wiederfinden können. Bei einer guten Arbeit sollten nicht nur negative Aspekte genannt werden und umgekehrt bei einer schlechten Arbeit nicht nur die positiven Aspekte enthalten. Immer sind alle die Arbeit abwertenden Aspekte aufgenommen werden.
Durch die Begründungen und Anmerkungen werden Lerneffekte erzielt, so dass diese wiederum pädagogisch wertvoll sind.
5. Verständlichkeit
Für das Stellen von Prüfungen gilt das Prinzip der Verständlichkeit. Dort hat sich der Begriff der „Eineindeutigkeit“ entwickelt. Der Kern der Sache ist es, dass die zu prüfende Person die Aufgabe verstehen kann. Bei kompetenzorientierten Prüfungen ist sicherlich eine offene Fragestellung zulässig, als bei reinen Reproduktionsaufgaben.
Teilweise wird der Begriff der Definition benutzt. Dieses in dem Sinne: „Definieren Sie die volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren!“ Dieses würde bedeuten, dass die zu prüfende Person eine eigene Definition (Begriffsbestimmung) in der Prüfung erschaffen soll. Dieses ist in den meisten Fällen nicht gefordert und in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. Vielmehr sollen die volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren genannt oder aufgezählt werden. Daher sollte eine Formulierung gewählt werden wie: „Zählen Sie die volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren auf.“ oder „Nennen Sie die volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren.“ Dieses kann dazu führen, dass die beiden Worte „nennen“ und „aufzählen“ in einer Klausur öfter vorkommen, wenn es sich um eine Reproduktionsklausur handelt. So etwas wirkt „langweilig“, aber wenn es so ist ist es so und es ist jedenfalls verständlich.
Inhaltich sollten die Fragen dem Stand der zu prüfende Personen sowohl inhaltlich als auch sprachlich entsprechen. Eine Fachsprache sollte eingesetzt werden, soweit sie dem Ausbildungsstand der zu prüfende Personen entspricht.
6. Täuschungsversuche/-handlungen
Täuschungsversuche führen, wenn sie entdeckt werden, zum Nichtbestehen der Prüfung. Täuschungen können durch Hilfsmittel erleichtert werden. Daher sollte immer genau angegeben werden, welche Hilfsmittel in welchem Zustand genutzt werden dürfen. Zwei Hilfsmittel sind besonders täuschungsanfällig: Taschenrechner, soweit sie programmierbar sind und Gesetzestexte oder andere Text- oder Formelsammlungen. In diese können „Spickzettel“ integriert werden. Dazu gibt es eine Vielzahl von Fällen, die aufgedeckt worden sind, aber wahrscheinlich eine mindestens ebenso große Anzahl unentdeckter Fälle.
Eine Möglichkeit wäre es alle Hilfsmittel zuzulassen. Dieses würde zu weitgehend kompetenzorientierten Prüfungen führen (was durchaus gewünscht ist). Allerdings würden die Prüfungen sehr anspruchsvoll werden, so dass unklar ist, ob die zu prüfende Personen die Aufgaben bewältigen könnten. Hierzu müssten die Vorbereitungen auf die Prüfungen anders gestaltet werden.
7. Bewertungs-/Beurteilungsspielraum
Die Objektivität der Prüfung[15] ist von erheblicher Bedeutung, auch wenn sie nur schwer zu realisieren ist. Im Rahmen der Prüfung und Bewertung sollten vorherige Probleme zwischen Prüfenden und zu prüfende Personen außer Betracht bleiben, wenn dieses nicht möglich ist oder kompliziert erscheint, sollte der Prüfende sich für befangen erklären und die Prüfung nicht abnehmen. Vergleiche mit anderen zu prüfende Personen sind möglich und wohl auch erforderlich, wobei es immer auf die aktuellen zu prüfende Person ankommt.
Es kann zu Unstimmigkeiten zwischen Prüfer und zu prüfenden Personen kommen. Dabei sind besonders die vor der Prüfung aufkommenden Unstimmigkeiten zu berücksichtigen. Prüfer sollten im Vorfeld solche vermeiden. In jedem Fall dürfen diese nicht zu anderen als objektiven Bewertungskriterien führen.
Bei der Bewertung sollte bei den ersten Prüfungsergebnissen nicht die Idee entstehen besonders gute oder schlechte Bewertungen zu geben, da man nicht weiß was noch kommt. Bei schriftlichen Prüfungen kann das Ergebnis offengelassen werden, bis alle Bewertungen fertig sind und dann entschieden werden. Im Anschluss kann dann eine Korrektur der schon gefundenen Ergebnisse erfolgen. Bei mündlichen Prüfungen ist diese wahrscheinlich nie möglich. Hier können die ersten zu prüfende Personen besser oder schlechter bewertet werden, als es eigentlich der Fall ist. Gegen eine bessere Bewertung im Nachhinein wird sich kaum jemand beschweren. Meistens ist das erste Gefühl der Bewertung das richtige, so dass diesem getraut werden sollte und es sollte eine möglichst übergreifende einheitliche Bewertung erfolgen, so dass eine falsche Bewertung nicht zwingend auftreten muss.
Bei schriftlichen Prüfungen unterscheidet man Klausuren (und ggf. Hausarbeiten), mit identischen Aufgabenstellungen, die in der Regel mit anderen Zu prüfende Personen vergleichbar sind und solchen Themenarbeiten, die sehr individuell zu betrachten sind. Bei ersteren kann ein Vergleich vorgenommen werden. Obwohl bei den Arbeiten fast nie identische Inhalte abliefert werden, ist doch eine Vergleichbarkeit gegeben.
Zu einzelnen Beurteilungs- und Bewertungsfehler wird an dieser Stelle kein Bezug genommen.
8. Überprüfungsverfahren/Überdenkungsverfahren
Sollte eine zu prüfende Person nicht mit einer Bewertung einverstanden sein, so steht es ihm frei hiergegen Rechtsmittel einzulegen. Dieses erfolgt zumeist zunächst durch ein vorgeschaltetes Überprüfungsverfahren durch den Prüfenden. Dieser kann dann seine eigene Korrektur auf mögliche Fehler überprüfen. Dazu sollte die zu prüfende Person angeben, welche Punkte sie an der Bewertung kritisiert. Dieses sollte möglichst spezifisch sein.
Beispiele
„Bei der Addition der Punkte ist ein Fehler von zehn Punkten aufgetreten, der eine Notenverbesserung zur Folge hätte.“
„Aufgabe 3 erforderte die Nennung von Beschreibung von drei Gewährleistungsrechten. Es sind drei Nennungen und drei Beschreibungen gegeben worden, aber nur die Hälfte der möglichen Punktzahl vergeben worden, Anmerkungen für Abzüge sind nicht ersichtlich, zudem sind sechs Häckchen vorhanden, die auf sechs Punkte hindeuten.“
Gegenbeispiele
„Ich bin mit der Bewertung der Lösungen zu Aufgaben 1, 3, 4, 5, 8 und 11 nicht einverstanden!“
„Bei der Bewertung bin ich vorsätzlich falsch bewertet worden!“
Eine Verpflichtung der zu prüfende Personen eine entsprechende Begründung zu geben besteht in aller Regel nicht, aber es ist für die Überprüfung der Korrektur, die ggf. auch durch andere Personen stattfindet, sinnvoll. Es sollte daher auf eine substantiierte Begründung hingewirkt werden. Zudem kann die zu prüfende Person nicht erwarten, dass sie detaillierte Begründungen durch das Überprüfungsverfahren erhält, wenn sie selber keine entsprechende Begründung liefert.
Im Überprüfungsverfahren sollte wieder Objektivität herrschen. Die Prüfenden sollten selbstkritisch mit den Eingaben umgehen und auch eigene Fehler nicht von vornherein ausschließen.
Jedoch sollten auch zu prüfende Personen vorsichtig mit der Möglichkeit der Überprüfung umgehen. Diese nimmt Zeit in Anspruch, so dass sich eine mögliche Zertifikatserteilung verzögern kann. Jedenfalls sollten Prüfende es zu prüfende Personen nicht vorwerfen, dass sie diesen Weg gehen und sie bei späteren Prüfungen schlechter behandeln (Gerüchte, die dieses besagen gibt es viele). Damit schließt sich dann der Kreis zur Befangenheit.
Zu beachten ist auch der Rechtsweg. Je nachdem, ob es sich um einen öffentlichen oder privaten Träger handelt, ist es ein Rechtsweg über das Verwaltungsgericht oder ein Zivilgericht. Bei zunehmenden privaten Trägern wird es interessant zu sehen, wie sich die Rechtsprechung der Zivilgerichte entwickeln wird.
IV. Prüfungspädagogik
Unter Prüfungspädagogik soll verstanden werden, dass innerhalb von Prüfungen Lernprozesse stattfinden.
Die schon angesprochene Prüfungspädagogik wird nur wenig angewendet. Dies mag damit zu tun haben, dass für die Prüfungszeit und Bekanntgabe der Ergebnisse nur wenig Zeit zur Verfügung steht und die Vergütung für Prüfungen nicht sehr hoch ist. Hierunter leiden die Anmerkungen und Begründungen. Da es immer mehr Einsprüche gegen Prüfungsentscheidungen gibt, sollten die Begründungen schon frühzeitig erfolgen, so dass Einsprüche vermieden werden können.
Lernprozesse im Rahmen der Prüfungen sollten nur eine Randerscheinung sein, ansonsten würde die Lehre in die Prüfungen konvergieren.
Ein weiterer Gesichtspunkt der Prüfungspädagogik ist der des Lernens der Prüfer. Zum einen lernen Prüfer die Art des Prüfens zu verbessern, solange es noch keine Zertifizierung von Prüfern gibt, zum anderen können durch Antworten der zu prüfende Personen neue Aspekte in die Systeme der Prüfer aufgenommen werden und andere Sichtweisen generieren und neue Perspektiven eröffnen.
V. Fazit
Im Prüfungswesen gibt es Wissenslücken in Bezug auf die rechtliche Einordnung, die dringend geschlossen werden sollten. Dieses zum einen um möglichen Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen zum anderen um richtige Prüfungen mit den entsprechenden Anforderungen durchzuführen.
Durch mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit wird eine Prüfungspädagogik geschaffen, die neben den herkömmlichen Lernprozesse eine weitere Möglichkeit des Lernens schafft. Nicht nur durch nicht bestandene Prüfungen, sondern auch bei Prüfungen die nicht perfekt waren, kann ein Lerneffet erzielt werden. Dieses kann aus zeitlichen Gründen nicht umfassend erfolgen, aber es können Stichworte gegeben werden anhand derer die zu prüfende Person weiter lernen kann.
Eine Zertifizierung von Prüfern ist anzustreben, so dass rechtliche, didaktische, pädagogische und psychologische Aspekte der Prüfung berücksichtigt werden können. Zunächst sollte dieses als Qualitätsmerkmal eingeführt werden. Eine schnelle Einführung würde Unsicherheit schaffen und wäre auch nur schwer realisierbar. Eine gesetzliche Einführung einer solchen Zertifizierung sollte erst nach einer Probezeit durch private Zertifizierungen erfolgen.
Quellen
Hebrank, Klaus Der BBiG-Entwurf in Bezug auf die Weiterbildung. In: NJOZ 2019, S. 849 -852
Kähler, Lorenz § 242. In: Gsell, Beate/Krüger, Wolfgang/Lorenz, Stephan/Reymann, Christoph (Gesamtherausgeber) beck-online.GROSSKOMMENTAR BGB, C. H. Beck, München 2022
Niehues, Norbert (Begründer) Prüfungsrecht. 8. Auflage, C. H. Beck, München, 2022
[1] Unter Prüfung wird an dieser Stelle verstanden je Form einer Überprüfung von Fähigkeiten und Kompetenzen zur Erteilung eines Zertifikates, unabhängig davon, ob es ein schulischer, ein erster berufsqualifizierender Abschluss oder eine Weiterbildungszertifizierung ist. Zudem ist dieses unabhängig, wenn auch mit Unterschieden, zwischen öffentlichen oder privaten Trägern der Prüfung zu sehen.
[2] Zur Abgrenzung zum häufig genutzten Begriff des „Prüflings“, siehe Hebrank NJOZ 2019, S. 849.
[3] Die Zulassung wird in dieser Abhandlung nicht weiter vertieft, da es um die Prüfung an sich gehen soll.
[4] Siehe: Kähler § 242 BGB Rn. 143 ff.
[5] Für Bundesgesetze ist www.gesetze-im-internet.de eine gute Adresse.
[6] BVerwG NVwZ 2006, S. 36.
[7] BVerfGE 84 S. 34 (45)).
[8] Niehues, Rn. 874 ff.
[9] Niehues, R. 892.
[10] Niehues, Rn. 304.
[11] Ähnlich: Niehues, Rn. 306 ff.
[12] Siehe: Niehues, Rn. 307 ff.
[13] Niehues, Rn. 320 f.
[14] Niehues, Rn. 328 ff.
[15] Eine Prüfung wird immer subjektive Aspekte beinhalten. Mit „Objektivität“ ist daher eine möglichst weitgehende Vernachlässigung der subjektiven Aspekte gemeint.