Studie „Virtualisierte Fernlehre in gestalterischen Fachbereichen“ (2019)

Mo., 04.11.2019 - 14:02 von
Prof. Dr. Andreas Lanig
, zuletzt bearbeitet am 25.01.2021 - 12:58

Die Studie Virtualisierte  Fernlehre in gestalterischen Fachbereichen leistet einen Beitrag zum Diskurs der Designdidaktik in virtuellen Lehrkontexten. 

Die Studie richtet sich an Designdidaktiker, die aus diesem neuen, sich aktuell etablierenden Lernraum in den digitalen Medien heraus neue Denkfiguren und designdidaktische Anschlüsse für die Designlehre weiterentwickeln. Über diesen Fachbezug hinaus trifft die Studie generalisierende Aussagen zum Transformationsprozess der Bildungssysteme. 

Der fachwissenschaftliche Diskurs ist einerseits aufgespannt zwischen einer traditionellen Auffassung einer Atelierausbildung, die über das Lehrhandeln geprägt ist und die eigene Lehr- und Lernerfahrung in virtuellen Kontexten nachempfindet. Auf der anderen Seite ist der Diskurs der virtuellen Fernlehre geprägt von einer kleinteiligen Modularisierung, die über die „Verschulung“ die humanistisch gedachte Entwicklung der „Gestalterpersönlichkeit“ zu wenig würdigt. Deshalb diskutiert die Arbeit historische Diskurspositionen, um die epistemischen Überzeugungen heutiger Hochschullehrer erklärbar zu machen. In dieser Perspektive werden die epistemischen Haltungen zwischen dem Bauhaus und der HfG Ulm diskutiert. 

Die Konzeptbildung zeichnet die gestalterische Entwicklung im Studienverlauf nach. Dabei sind die Lernbiografien die Basis für eine qualitative Inhaltsanalyse. Über die drei Studienjahre hinweg entstehen Schlüsselkategorien, die zu einer Handlungstheorie verdichtet werden. 

Der Anspruch ist ein designdidaktisches Konzept, das die Theorien schöpferischer Prozesse einerseits wie auch die mediendidaktischen Kontexte einer entwicklungszentrierten Designpädagogik würdigt. Die Arbeit trifft die generalisierbare Aussage, dass eine kompetenz- und persönlichkeitsorientierte Entwicklungsbasis für die Entwicklung von Studienprogrammen sein sollte. Diese erfahrungszentrierte Didaktik ist eine Voraussetzung für das Gelingen digitalisierter Bildungssysteme. 

Der Erstgutachter der Dissertation Prof. Dr. June H. Park bezeichnet es als die zentralen Forschungsfrage

ob die gestalterische Kompetenzentwicklung über eine sog. 'virtuelle Fernlehre' möglich ist. Diese Frage wird auch in einer weiter reichenden Form gestellt, nämlich: Ist eine künstlerische Persönlichkeitsentwicklung über ein Nichtpräsenzstudium möglich?

Die lehrende Fachwelt der Kunst bzw. der freien bildenden Kunst würden diese Frage mit eindeutigem Nein beantworten. Daher kommt der Designpädagoge Prof. Park in seiner Beurteilung zu folgender Einschätzung:

Insofern stellt die Forschungsarbeit eine exzeptionelle Leistung dar, die so in dieser Form, empirisch detailliert bis jetzt von anderen noch nicht erbracht worden ist. Dieser Nachweis wird mittels Indizien erbracht, die aus den zahlreichen Codierungen gewonnen werden. Damit zeigt Ken Lanig den künstlerischen Reifungsprozess des Lernenden und den künstlerischen Förderungsprozess des Lehrenden als wissenschaftlich zugängliche Phänomene. Jedoch geht es Ken Lanig nicht um die Entmystifizierung einer geheimnisvollen Black-Box oder Brechen eines Tabus, sondern um die pragmatische Perspektive, wie die Lehre und das Studium in einem virtuellen gestalterischen Studiengang weiterentwickelt werden können. Die damit verbundenen didaktischen und bildungstheoretischen Aspekte am Beispiel eines gestalterischen Fernstudiengangs sind in dieser Dissertation durch eine dezidierte und empirisch gestützte Begriffs- und Theoriearbeit zu einem nachvollziehbaren Modell geronnen. Der überragende Schlüsselbegriff ist 'Hybrides Atelier', an dem die 'Kategorien des Lernhandelns' und 'Konzepte des Lernhandelns' sich vergleichbar zu einem künstlerischen Präsenzstudium mehr oder weniger substantiell identisch auch im gestalterischen Online-Studium wiederfinden lassen. Ken Lanig weist dies durch Indizien wie künstlerische Selbstkonzeption, Statuspassagen, ästhetische Sozialisation, intersubjektiver Aushandlungsprozess, Diastase (Link führt zu einem Kurzvideo; V.i.S.d.P.) und Autonomiebestrebung nach. Fast nebenbei gelingt Ken Lanig dabei, in die Charakteristik und Andersartigkeit des künstlerischen Entwicklungsprozesses einen tieferen Einblick zu gewähren.

Die Arbeit wird Anfang 2020 über die Bibliothek der Universität Vechta verfügbar sein.

Kommentare

Gespeichert von Guest (nicht überprüft) am Di., 05.11.2019 - 08:03

Vielen Dank für Ihre Einblicke in die wohl mit großen Erfolg fertig gestellte Dissertation. Bereits von der Oberfläche und sicher noch mehr vom Inhalt her betrachtet scheint mir hier ein großer Wurf gelungen zu sein. Aber ich bin kein "Designdidaktiker" / oder "Designpädagoge". Dennoch ist die Komplexität der Studie für mich beeindruckend.

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